Einzelstücke auf drei Etagen

Zwei Maßschneiderinnen beraten, nähen und verkaufen in ihrem kleinen laden unter dem Kollektiv Item una

Der kleine Laden ist das reinste Raumwunder. Die Grundfläche beträgt nur 27 Quadratmeter, doch glücklicherweise sind die aufgeteilt auf drei Etagen. Oben steht Julia Emmanuele an der Nähmaschine, das Rattern ist durch die offene Tür zu hören. Kollegin Mirka Brunnbauer ist hinter ihr beschäftigt. Bügeleisen und -brett stehen an der Wand, daneben hängen Klamotten in unterschiedlichen Stadien ihrer Fertigstellung. Seit 2018 arbeiten die Maßschneiderinnen unter dem Kollektiv Item Una in der Koselstraße im Nordend. Ganz unten gibt es eine kleine Ankleide mit Spiegel und einen großen Tisch zum Stoffe zuschneiden. 

„Im Erdgeschoss befindet sich die Boutique“, sagt Emmanuele. An Kleiderstangen hängen Stücke ihrer Kollektion: ein blaues Hemd, ein Mantel ist rostbraun oder ein beider Pullover. Im Schaufenster liegen Mützen und Stirnbänder. Bunte Rucksäcke, Taschen und andere Accessoires sind an einer hellen Holzwand ausgestellt. Die können direkt mitgenommen, aber auch bestellt und noch mal verändert werden - falls man lieber einen anderen Stoff, eine weitere Farben oder Innentaschen wählen möchte. Alles, was hier zu sehen ist, stellen die beiden selbst her und sind Einzelstücke. Daher auch der Name, Item heißt Objekt auf Englisch und Una einzeln auf Latein.

Ihr Kerngeschäft ist das individuelle Anfertigen. „Wir entwickeln die Stücke gemeinsam mit unseren Kunden“, erklärt Brunnbauer. Die 30-Jährige hat eine Ausbildung zur Herrenschneiderin absolviert. In einem Betrieb in Leipzig lernte sie das Handwerk. Kollegin Emmanuele ist ausgebildete Damenschneiderin. Die 29-Jährige machte in Frankfurt eine vollschulische Lehre. „Aber wir ergänzen und helfen uns auch immer gegenseitig“, fügt sie hinzu, „und wissen genau, wo unsere Stärken und Schwächen liegen“.

Die Aufträge sind unterschiedlich, das kann etwas für einen besonderen Anlass sein, eine Idee, die es so nicht zu kaufen gibt oder das Nachmachen einer 20 Jahre alte Lieblingshose. Die Kunden werden in den kompletten Prozess mit einbezogen, von der Stoffauswahl bis hin zum fertigen Schnitt. Manche seien von soviel Freiheit auch überfordert, sagt Brunnenbauer. 

Wer eine Maßarbeit möchte, muss bedenken, dass das Schneidern seine Zeit braucht. „Manche kommen im Oktober und wollen einen Herbstmantel oder wünschen sich im Juli ein Sommerkleid für den anstehenden Urlaub“, sagt Emmanuele. Denen müssen sie dann erklären, dass es mindestens sechs Wochen dauert, bis ihr neues Unikat fertig wird.

Der Preis hängt von Aufwand und Stoff ab. Einfache T-Shirts aus Jersey kosten 70 Euro - für ein Sakko im Harris Tweed müssen die Herren schon 2000 Euro hinlegen. Wer nicht so viel ausgeben will, bekommt ein Stück, das in weniger Zeit entsteht. „Wir bedienen uns auch der Machart der Industrie“, sagt Emmanuele. In dem sie etwa bestimmte Arbeitsschritte anpassen, also mitunter etwas kleben statt nähen. 

Die Kundschaft sei bunt gemischt, mehr Frauen als Männer. Viele kommen durch Empfehlungen, aber es schauen auch Passanten im Laden herein, die zufällig vorbei laufen. Und seien oft erstaunt, wenn sie hören, dass  sie sich etwas schneidern lassen können. Das nähmen dann schon viele als spannend wahr. Das sei auch das Schöne an ihrem Job, finden beide, der Umgang mit den Menschen - und natürlich, dass man selbst etwas herstelle. 

Frankfurter Rundschau vom 06.10.2020
Artikel von Judith Köneke
Foto von Rolf Oeser

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